Erinnert Ihr Euch an das Intro zum Podcast? Da hab ich Euch doch eine Love Story mit Happy End versprochen. Spoiler Alarm: Das hier ist sie noch nicht. Im Rückblick stellt sich für mich eher die Frage, ob das überhaupt als Love Story durchgeht. Und ob es wirklich eine gute Idee ist, den Echtzeit-Podcast meiner kleinen Karriere als Popstar mit so tiefen Einblicken in mein Seelenleben zu starten. Aber der Reihe nach
Heute vor 30 Jahren…
… habe ich in meinem Tagebuch über den Zustand meiner Beziehung zu P. geschrieben. P. kannte ich schon aus der Schulzeit, sie war in meinen Augen damals eines der hübschesten, elegantesten Mädchen und auf interessante Weise unnahbar. Um aus dem Film „Crazy“ zu zitieren: Sie war ungeheuer teuer. Und in der Zeit nach meiner Indienreise ist da plötzlich etwas zwischen uns entstanden, etwas, das wir beide wohl nicht so recht einzuordnen wussten. Und diese Unsicherheit hat zu völlig unterschiedlichen Reaktionen geführt. Ich für meinen Teil habe mich Hals über Kopf und ohne Rücksicht (ein bisschen wohl auch ohne Rückgrat) in diesen Traum hineingeworfen. Und sie damit offensichtlich überfordert. Denn nach ein paar romantischen Wochen finden sich diese Worte in meinem Tagebuch
Habe mit P. ein paar gute Gespräche gehabt […] Alles geht zu schnell, sagt sie, sie hat Angst vor ihren Gefühlen. Sie sagt, dass sie die letzte Zeit so glücklich war und doch plötzlich gemerkt hat, dass sie mich ja kaum kennt!
Ich will tapfer sein und auf ihren Vorschlag eingehen, die Zeit bis vor dem Kino zurückzudrehen. Auch wenns manchmal verdammt schwer ist. Sie ist es wert! Sie ist es wert! Sie ist es wert!
26.06.1994
Kleiner Reminder: wir befinden uns in meinem Sommer mit Projekt Paul. Ich hänge also regelmäßig mit meinen Bandkollegen Flo, Daniel, Peter, Oli und Beni ab. Und bei diesen Gelegenheiten bringt uns Daniel in Kontakt mit den Bands der frühen Hamburger Schule: Huah!, Die Braut haut ins Auge, Fünf Freunde und natürlich Bernd Begemann. Und mir eröffnet er damit eine völlig neue Welt, in der deutsch singen nicht peinlich und aufgesetzt klingt, sondern authentisch und poetisch vom Leben erzählt. Mehr dazu in meiner kommenden Podcast Sendung rund um Projekt Paul.
Zurück zu unserer Geschichte: Der nächste Tagebucheintrag knapp eine Woche später ist dann deutlich länger und zeigt, wie schwer das Ganze für mich auszuhalten war. Das Besondere an diesem Eintrag ist aber, dass er sich quasi während des Schreibens von einem Tagebucheintrag in einen Songtext verwandelt. Schon nach ein paar Sätzen erkenne ich beim Schreiben, dass das hier eigentlich gesungen gehört, dass das ein Liebeslied wird. Hier ein paar Auszüge
Nun sitze ich hier, schreibe Wörter in ein kleines schwarzes Buch […]
02.07.1994
Wir beide haben uns ein Boot gebaut, kein sehr stabiles, aber es hat gereicht um bis zur Insel des Glücks zu kommen
…
Wir bauten uns ein Floß, stark genug um uns zu tragen, gerade groß genug für uns und ein paar Träume. Wir liefen aus bei Morgendämmerung. Wie lange? Zeit? Wieso? Wir sind hier. Und jetzt. Auf der Insel der Märchen. Nicht wahr? Wieso? Du hast Angst? Wovor? Ich bin doch da…[…]
Bitte weck mich jetzt nicht auf! Lass und noch ein bisschen hier bleiben. Wenn wir jetzt fliehen, werden wir die Insel nie wieder finden. ES GIBT DIESEN TRAUM NUR EINMAL! […]
Und so hat diese unglückliche Geschichte mit P. dazu geführt, dass ich zum ersten Mal in einem Song wirklich von mir selber gesungen hab. Mit einem Text, der nicht nur aus zusammengesetzten Floskeln der amerikanischen Rock-Historie besteht, sondern der vom echten Leben erzählt.
Wie ging es danach weiter? Den Song habe ich mit Projekt Paul am 22. Juli beim Projekt Paul Konzert in Gilching zum ersten Mal der Welt (und vor allem P.) präsentiert. Kurzzeitig war danach auch alles gut mit P. und mir, aber wie ihr Euch denken könnt, ist das nach ein paar Wochen dann auseinandergegangen. Die Geschichte hat mich im Herbst des Jahres 1994 nochmal eingeholt, aber davon erzählt ein anderer Meilenstein dieses Projekts.
Aber wie ich schon im Intro erwähnt habe, meine Love-Story geht am Ende gut aus, also keine Sorge, ihr könnt diese Episode einfach als Zuschauer*innen genießen und ein bisschen in Euren eigenen Herzschmerz-Erinnerungen schwelgen, kein Grund sich aber davon den Tag versauen zu lassen.
Und damit ihr die Stimmung dieses Songs besser nachvollziehen und vielleich ein bisschen nacherleben könnt, habe ich mich neulich in mein Dachzimmer gesetzt und den Song nochmal (inkl. Video) eingesungen. Hier kommt also mein erster deutschsprachiger Song, der mit einem Tagebucheintrag über P. begann: BITTE WECK MICH NICHT.
Im Video versuche ich, den 21-jährigen Jochen zu channeln, wundert Euch also nicht, wenn mein Gesichtsausdruck zwischen romantisch verklärt und angestrengt konzentriert wechselt, achtet lieber auf den Song.
Wir sehen und wir hören uns. Euer Jochen.